Freitag, September 16, 2022

16.09.2022 12:30 - Die heimatlose Freiheit

Ich kenn`im Wald ein Plätzchen,
Das ist so schön und traut;
Dort läßt sich`s herrlich ruhen
Auf Moss und Heidekraut.
Durch Eichen und durch Buchen,
Dran sich der Efeu schlingt,
Schaut man, wie durch die Lüfte
Der Vogel frei sich schwingt.

Dort lag ich heut`im Traume.
Da neigte sich ganz leis
Die Freiheit zu mir nieder,
Küßt` mir die Lippen heiß:
„Du heimatloser Sänger,
Nimm meinen Flammenkuß
Und bring in deinem Liede
Der Menschheit meinen Gruß!”

Als ich darauf erwachte
Und sah die Freiheit stehn,
Bat ich: „O laß mich mit dir
In deine Heimat gehn!”
Da neigt sie unter Tränen
Ihr schönes, stolzes Haupt
Und spricht: „Ach meine Heimat
hat man mir längst geraubt!”

Karl Friedrich Mezger 1880-1911