Samstag, November 19, 2022

18 Nov. 2022 19:02 Uhr - Niederländisches Gericht ignoriert unbequeme Beweise beim MH17-Urteil

In ihrem Urteil räumten die niederländischen Richter ein, dass das Ziel der Buk-Rakete ein Militärflugzeug gewesen war, so dass die malaysische Maschine versehentlich abgeschossen worden sei. Doch wie der vorsitzende Richter Hendrik Steenhuis betonte, schließe ein solcher Fehler einen Vorsatz nicht aus.

Wie bitte? Hat hier jetzt jemand vorsätzlich einen Fehler gemacht? Wie soll das denn gehen?

Dabei erinnerte RIA Nowosti daran, dass Russland die Aufzeichnungen seiner Radaranlagen für das Gebiet, aus dem die Rakete abgefeuert wurde, veröffentlicht hatte. Die Ukraine weigerte sich indessen, entsprechende Angaben und Aufzeichnungen ihrer drei Radaranlagen sowie der Tonaufzeichnungen der Gespräche zwischen dem Flugpersonal und den Fluglotsen dieses Fluges offenzulegen.

Außerdem hätten die Ermittler des JIT die von Russland bereitgestellten detaillierten Angaben des Herstellers von Buk-Luftabwehrsystemen, des russischen Konzerns Almas-Antei ignoriert, fügte Sluzki hinzu. Die von Almas-Antei dreifach angestellten Modellierungen zeigten, dass das malaysische Flugzeug durch eine Rakete abgeschossen wurde, die von einem Punkt 3,5 Kilometer südlich der damals von ukrainischen Streitkräften besetzten Ortschaft Saroschtschenskoje abgefeuert wurde. Dabei handelte es sich um eine Rakete vom Typ 9M38, die seit 1986 nicht mehr produziert wird und die seit 2011 von den russischen Streitkräften nicht mehr eingesetzt wird, so die Ausführungen von Almas-Antei weiter. Ein Abschuss mit einer russischen Rakete des moderneren Typs 9M38M1 sei indessen ausgeschlossen, da keine für diese Modifikation charakteristischen Beschädigungen am rekonstruierten Flugzeugwrack vorgefunden wurden.

Zusätzlich veröffentlichte Russlands Verteidigungsministerium im Jahr 2018 auch noch Unterlagen, die anhand der damals von der niederländischen Seite vorgelegten Seriennummer auf den Trümmern der Rakete deren Weg von der Herstellung der Waffe bis zur Militäreinheit, in der die Rakete stationiert wurde, nachverfolgen lassen. Demnach sei die Rakete im Jahr 1986 an eine Militäreinheit in der damaligen Ukrainischen SSR übergeben worden. Die Rakete wurde auch zu keinem Zeitpunkt zurück nach Russland verlegt, während die entsprechende Einheit der ukrainischen Streitkräfte seit 2014 von Kiew bei Kämpfen im Donbass eingesetzt wurde.

Der Doktor der Rechtswissenschaften Professor Anatoli Kowler verwies auf ernste Verfahrensmängel bei dem Prozess in den Niederlanden. In einem Interview erklärte er der Zeitung Wsgljad:

“Russland wurde nie in das JIT aufgenommen, obwohl auch Australien und Malaysia dort aufgenommen wurden, mit der alleinigen Begründung, dass sich unter den Verstorbenen Staatsangehörige dieser Länder befanden. Doch bei allem Respekt, wo liegt Australien und wo der Tatort?”

Kowler erinnerte außerdem auf die von Pulatows Verteidigern vorgebrachten Anträge, Zeugen der Verteidigung in dem Prozess einzubeziehen. Diese Anträge wurden vom Gericht zurückgewiesen. Damit sei nach Kowlers Meinung ganz klar das im Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegte Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Kowler räumte ein:

“Trotzdem zeigte das Gericht eine gewisse Objektivität und wies darauf hin, dass keine Beweise vorliegen, dass Russland als Staat an dieser Katastrophe mitschuldig ist.”

Der ehemalige Vertreter Russlands beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Pawel Laptew äußerte die Ansicht, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz und dem Urteil darüber um eine Provokation handelte, die “von Anfang bis Ende von den USA mit initiiert und durchdacht war”. Er erklärte das so:

“Die USA legten ihre Satellitenbilder nicht vor. Danach übten sie Druck auf das internationale Gemeinsame Ermittlungsteam und auf die Rechtspflegebehörden aus, damit diese nicht mit Russland zusammenarbeiten, trotz Moskaus Aufrufen zur Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit.”

Der stellvertretende Leiter der Abteilung für Information und Publikation des russischen Außenministeriums Iwan Netschajew kündigte an, dass Russland das Urteil des Den Haager Gerichts untersuchen werde: “In solchen Fragen spielt jedes Detail eine Rolle.” Wenig später erschien auf der Seite des russischen Außenamtes eine Erklärung, die verkündete:

“Sowohl der Verlauf als auch die Ergebnisse des Verfahrens zeugen davon, dass ihm ein politischer Auftrag zugrunde lag, die von Den Haag und ihren Mitstreitern unterstützte Version über Russlands Mitschuld an der Tragödie zu bestätigen.”

Das Urteil sei mit Aussagen anonymer Zeugen sowie mit Angaben zweifelhaften Ursprungs sowie mit den vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) vorgelegten Unterlagen begründet, merkte das Ministerium an. Dabei ist der SBU der Ukraine in diesem Fall nicht nur eine befangene Partei, sondern wurde mehrmals der Vorlage falscher oder sich widersprechender Aussagen überführt. Das Ministerium erklärte weiter:

“Dagegen wurden die vom russischen Verteidigungsministerium freigegebenen Dokumente, die die Übergabe der Rakete mit der gleichen Seriennummer wie der auf dem Absturzort gefundenen an die Ukraine bestätigen, nicht beachtet.”

Die Richter hätten außerdem die zum Zeitpunkt der Katastrophe von einem US-amerikanischen Satelliten über Donezk gefertigten Bildaufnahmen nicht erhalten. Auf eine entsprechende Anfrage antworteten die USA mit einer ausdrücklichen Weigerung, doch hätte auch dies keine kritischen Fragen vonseiten des Gerichts zur Folge gehabt.

Kowler wies ebenfalls darauf hin, dass während des Verfahrens nur “bequeme” Zeugenaussagen in die Beweisgrundlage aufgenommen wurden. So wurden etwa Aussagen über den Abschuss einer Rakete aus der von ukrainischen Streitkräften besetzten Ortschaft Amwrossijewka ignoriert. Die Begründung lautete, dass diese Zone zu weit von dem Punkt entfernt sei, an dem das Flugzeug von den Radaren verschwunden war. Kowler erklärte dazu:

“Diese Praxis wird als selektive Anwendung von Beweismitteln bezeichnet. Alle von den Anwälten verlangten Beweise müssen im Prozess verwendet werden. Obwohl sich die niederländische Justiz durch ein hohes Maß an Akribie und Skrupellosigkeit auszeichnet, scheinen in diesem Fall Ausnahmen gemacht worden zu sein.”

Der Jurist merkte außerdem an, dass das Urteil ausgerechnet zu einem Zeitpunkt verkündet wurde, als wenige zuvor Tage eine mittlerweile nachweislich ukrainische S-300-Luftabwehrrakete auf polnischem Gebiet einschlagen war und dort zwei Zivilisten getötet hatte:

“Zuallererst wurden Vorurteile verkündet, dass diese Rakete von russischer Seite gekommen sei, doch später waren die USA noch objektiv genug, um die Beteiligung der Ukraine einzuräumen. Leider war solch eine Objektivität bei dem ganzen Verfahren über MH17 nicht gegeben.”

Die Frage, ob Kiew dafür verantwortlich sei, dass der Luftraum über einem umkämpften Gebiet nicht gesperrt worden war, wurde schließlich vom Gericht überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei sei es erwiesen, dass im Gebiet der von Kiew veranlassten sogenannten “Anti-Terror-Operation” ukrainische Luftabwehrsysteme, darunter vom Typ Buk, mit aktivierten Radaren und in Gefechtsbereitschaft stationiert wurden, erklärte das russische Außenministerium.