Dienstag, Dezember 6, 2022

5 Dez. 2022 20:14 Uhr - Und es wird wieder nichts! Baerbocks Abfuhr in Indien


Von Gert Ewen Ungar

Jedenfalls war die Stimmung gegenüber Deutschland schon vor dem Besuch Baerbocks in Neu-Delhi eher angespannt. Die Tagesordnung, die Baerbock mitgebracht hatte, war dann kein Stimmungsaufheller. Der Begriff “regelbasierte Ordnung” ist Baerbock immer ein besonderes Anliegen. Was Baerbock genau darunter versteht, ist aus ihrer Politik bisher nicht klar geworden. Heute hü und morgen hott. Für jedes Land gelten unterschiedliche Regeln: Was man in einem verurteilt, ist woanders gerade recht − alles, wie es der transatlantisch orientierten und geführten Außenministerin eben gerade so ins Konzept passt.

Die Welt außerhalb des kollektiven Westens versteht unter “regelbasierter Ordnung” den hegemonialen, neokolonialen Anspruch des Westens, dass die Regeln vor allem in Washington gemacht werden und sich die Welt zu fügen hat − und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Baerbock sollte den Begriff in die Tonne kloppen. Er macht deutlich, dass sie nichts Gutes im Schilde führt.

In der ehemaligen Kronkolonie Indien von “regelbasierter Ordnung” zu sprechen und ihre Einhaltung zu fordern, ist daher ein gewagtes Unterfangen. Baerbock tut es dennoch. Sie sieht durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine die regelbasierte Ordnung verletzt und wirbt in Indien darum, sich den Sanktionen des Westens zur Bestrafung Russlands anzuschließen. Aktuell geht es zudem um die Durchsetzung des von der EU beschlossenen Ölpreisdeckels.

Indien unterstützt − wie viele andere Länder des globalen Südens − die antirussischen Sanktionen nicht. Im Gegenteil: Die Sanktionen des Westens werden verurteilt, weil sie die Entwicklung der Weltwirtschaft dämpfen und arme Länder besonders hart treffen. In Indien werden inzwischen auch ganz offizielle Stimmen laut, die fordern, den Moment zu nutzen und die westlich basierte Ordnung abzulösen. Indien kooperiert seit Jahren intensiv mit Russland und hat die Zusammenarbeit vor allem im Energiebereich nach dem Beginn der militärischen Spezialoperation Russlands in der Ukraine noch ausgebaut. Auch im Bereich der Rüstung ist Russland ein wichtiger Kooperationspartner. Die Angebote, die Baerbock vor diesem Hintergrund Indien machen kann, wirken − mit Verlaub gesagt − ärmlich.

Eingerahmt wird der Besuch Baerbocks von Zusammenkünften mit Vertretern von NGOs. Auf der Website des Außenministeriums ist zu erfahren, dass es um Frauen- und Minderheitenrechte in Indien nicht zum Besten steht. Da hat die Außenministerin doch ein Thema, an dem sie ihren moralischen Zeigefinger aufrichten kann. Nicht nur kooperiert Indien mit Russland, löst sich immer weiter aus der Dollar-Hegemonie und betreibt Rohstoffhandel in lokaler Währung. Nein, auch im Bereich Gleichstellung sind Defizite erkennbar und Baerbock hat ihr Thema, auf dem sie gern rumreitet. Feministische Außenpolitik nennt sie die permanente, besserwisserische Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder auf Grundlage einer tief in der westlichen Weltsicht verwurzelten Agenda. Sympathischer macht sie die deutsche Außenpolitik mit ihren Mahnungen freilich nicht, zumal bekannt ist, dass Deutschland immer dann bereit ist, wegzugucken, wenn es im eigenen Interesse liegt.

Baerbock wird zudem versuchen, Indien zur Einhaltung des Ölpreisdeckels zu bewegen, den die EU beschlossen hat. Es bedarf − nicht nur vor dem Hintergrund deutscher Brüskierung und moralischer Hybris − wenig prophetischer Begabung, dass sich Indien dem Ölpreisdeckel nicht anschließen wird. Es setzt auf gute wirtschaftliche Verbindungen zu Russland. Indien ist gemeinsam mit Russland und China Mitglied in transnationalen Organisationen, die allein durch die Zahl der Menschen, die sie repräsentieren, westliche Zusammenschlüsse weit in den Schatten stellen. Es steht nicht mehr in Frage, dass die Länder, die sich hier zusammengeschlossen haben, die in die Krise geratene UNO und ihre Organisationen auf Grundlage des Völkerrechts nachbauen werden. Dort liegt die Zukunft nicht nur Indiens.

Lächerlich wirkt auch, dass die Außenministerin nicht verstehen will, dass ein Diktat gegenüber anderen Ländern, sie mögen sich bitte wirtschaftlich selbst schaden, um westliche Rachegelüste gegenüber Russland zu befriedigen, zu nichts führen wird. Im Gegenteil: Die Länder werden außerhalb der EU den Wettbewerbsvorteil nutzen, den ihnen die EU durch die verfehlte Selbsteinschätzung ihrer Macht und der damit einhergehenden ökonomischen Selbstentleibung bietet.

Gerade die völlig ergebnislosen Reisen Baerbocks bezeugen den immer weitergehenden Einflussverlust Deutschlands. Verschuldet hat ihn eine den geopolitischen Kräfteverschiebungen völlig unangemessene deutsche Politik, für die auch die Personalie Baerbock mehr als bloß symbolisch steht.

et ceterum censeo: Und segne was man uns bescheret hat.
Ich sag nix weil alles Gegenteilige ist wegen Widerstandes gegen betreutes Denken verboten.
Zu dieser, unserer Gesellschaft: “ein totes Pferd kann man nicht reiten”