Donnerstag, Dezember 22, 2022

22 Dez. 2022 06:45 Uhr - Vor einem Jahr gab Russland dem Westen eine letzte Chance, einen Konflikt zu verhindern

Gegen Ende des Jahres 2021 unternahm der Kreml einen Versuch, den Westen dazu zu bewegen, über die langjährigen politischen und verteidigungspolitischen Sorgen Russlands zu verhandeln. Was ist schief gelaufen?

Von Fjodor Lukjanow

Es ist ein Jahr vergangen, seitdem Moskau ein Dokument mit Vorschlägen über langfristige Garantien zur europäischen Sicherheit – oder Forderungen, wenn man es vorzieht, es so zu betrachten – an die NATO und die USA übergeben hat. Dies war der Ausgangspunkt der derzeitigen politisch-militärischen Krise, die heute die globale Lage bestimmt. War das russische “Ultimatum” –wie es im Westen formuliert wurde – darauf angelegt, abgelehnt zu werden oder sah es eine realistische Verhandlungslösung vor?

Präsident Wladimir Putin hat wahrscheinlich folgende Überlegung angestellt: Nachdem so viele Jahre lang unsere Wünsche und Überzeugungen ignoriert wurden, lasst uns dem Ganzen eine letzte Chance geben. Lasst uns das Maximum an Forderungen stellen. Alles, was zuvor schon gesagt wurde, auf einem Dokument und in konzentrierter Form skizzieren und dann sehen, was passiert. Wenn sie erkennen, dass es uns diesmal sehr ernst ist, und sich in diesem Sinne für eine echte Diskussion entscheiden, sind wir dazu bereit. Wenn sie jedoch wieder anfangen, Zeit zu schinden, dann war es das. Dann kommen wir zur Sache.

Ich muss sagen, dass die Konsultationen, die im Januar 2022 stattfanden, gezeigt haben, dass die USA zu gewissen Zugeständnissen in bestimmten Fragen der militärischen Sicherheit bereit waren, und zwar in einem größeren Ausmaß, als sie es noch vor den im Dezember 2021 gestellten Forderungen waren. Im Verhältnis zum Gesamtbild war dies jedoch für Moskau zu wenig. Vor allem haben sich die NATO und die USA kategorisch geweigert, über die wichtigste politische Frage zu verhandeln: Über die Frage eines formellen Verzichts auf eine weitere NATO-Osterweiterung. Für die NATO ist solches schlicht inakzeptabel, weil die Erweiterung der Allianz die Grundlage der internationalen Sicherheitsphilosophie ist, wie sie bei der NATO seit dem Ende des Kalten Krieges verstanden wird.

Darüber herrscht im Westen eine völlige Abwesenheit der Fähigkeit zur Reflexion über die Geschichte hinter den aktuellen Ereignissen. Die Ansicht, dass Russland kein politisches, wirtschaftliches oder moralisches Recht hat, irgendetwas zu fordern, ist zu einem Axiom und einer Grundlage der westlichen Politik geworden. Und was jetzt eingetreten ist, scheint dem Westen sogar eine Art Erleichterung gebracht zu haben – es gibt jetzt keinen Grund mehr, so zu tun als ob.

Die NATO wird eine weitere Expansion nicht auf die leichte Schulter nehmen können, da sie erkennen musste, dass der Standpunkt “es wird schon nichts passieren” nicht mehr gilt. Zugegebenermaßen schließt dies eine bewusste Expansion zu erklärten antirussischen Zwecken nicht aus, wenn genügend Entschlossenheit bei der NATO vorhanden ist – und diese Entschlossenheit könnte durchaus umgekehrt proportional zu den militärischen Errungenschaften Russlands sein.

Nein, ich spreche Russland nicht das Recht ab sich gegen die unfassbaren politischen Beleidigungen des Winters 2021/22 zu wehren aber man möge doch bitte in diesem Artikel klar auf die gesetzten Fakten hinweisen. Das geschieht in ganzen zwei Sätzen. Alles andere ist nur schönfärberisches Blah Blah.

et ceterum censeo: Und segne was man uns bescheret hat.
Ich sag nix weil alles Gegenteilige ist wegen Widerstandes gegen betreutes Denken verboten.
Zu dieser, unserer Gesellschaft: “ein totes Pferd kann man nicht reiten”